© DAV LU - Arianit Mula

Peaks of Balkan

BW 03 - Die Verfluchten Berge und ein blaues Auge

12.07.2025

Einen steilen Berganstieg oder schwere Gipfel hat bestimmt schon mancher von uns verflucht, aber eine ganze Bergregion verfluchen?

Ja, das gibt es, im Norden von Albanien, der seit jeher isoliert und schwer zugänglich war, einen Ruf als unwirtliche und militärisch umkämpfte Region mit unzähligen Bunkern hat. In diesen Bergen leb(t)en verschiedene Clans, die ihr Territorium bewahr(t)en, hier sind noch heute jahrhundertealte Tradition und Bräuche fest verankert. Diese Kombination brachte den albanischen Alpen den Ruf als verfluchtes Gebirge.

In diesem Gebiet der Blutrache (die uns mit ihren Facetten von unserem Guide Arianit ausführlich erklärt wurde) wechselten wir als Grenzgänger auf Abschnitten des Trails „Peaks of Balkan“ mehrfach zwischen Albanien, Montenegro und Kosovo, zwischen zerklüfteten Bergen, tiefen Tälern in einer kargen Landschaft

Wir starten mit einer 2-stündigen Bootsfahrt auf dem Komanstausee. Die Autofähre passierte hohe Felswände und enge Schluchten, die an norwegische Fjorde erinnern, wir wandern entlang der Valbona. Abends erwartete uns ein mehrgängiges Essen, das schon die typische Kombination mit aromatischen Tomaten, Paprika, Börek mit unterschiedlicher Füllung, Fleisch und Kartoffeln zeigt.

 

Ein „running gag“ der nächsten Tage: wo sind Haken, wo sind Ablagen in den Schlafräumen? Die Duschen sind direkt neben der Toilette auf 2-3m2, ohne Vorhang. Arianit erklärt, solche „Kleinigkeiten“ sind für Albaner nicht von Belang. Für sie zählen respektvoller Umgang miteinander, Gastfreundschaft und gutes Essen. Dies erleben wir in den nächsten Tagen immer wieder. 

Der Trail „Peaks of Balkan“ entstand 2011 als eine Verbindung aus alten Hirtenpfaden, aus neuen Wanderstrecken, aber auch aus staubigen, unattraktiven Schotterpisten. Wir hatten die „Luxusvariante“, bei der wir diese öden Straßen mit dem Jeep überbrückten. Mit solch einem Transfer startete unser 2. Wandertag an der Grenze von Albanien und Montenegro, und wir haben morgens die Füße auch mal in beide Länder gleichzeitig gesetzt. Das waren „grüne“, nicht offizielle Grenzübertritte, die Dokumente dafür hatte unser Guide. Falter, unzählige Blumen, Weitsichten, enge Waldwege, primitive Almen - die Highlights auf dem Weg nach Doberdol, einer tollen Hochalm.

Der Regen hätte nicht sein müssen, aber die Schlauen unter uns machten etwas langsamer und saßen ihn bei türkischem Kaffee und Mountain Tea aus. Von Doberdol bleiben in Erinnerung die „Hobbithäuser“, abendliche Gewitterstimmung, umherziehenden Schafherden, morgendlicher Kuhauftrieb, WLAN über Starlink und die innovative Bierkühlung, die den kalten Bergbach direkt und klimafreundlich durch den Kühlschrank leitete.

Von dort stieg eine Gruppe direkt zum Dreiländereck von Albanien, Kosovo und Montenegro auf, während die andere den gleichen Weg wie unser Gepäck auf Pferden nahm, diesmal nach Kosovo.

Tagsdrauf wurde wegen Gewitters improvisiert: kurzfristig organisierte Jeepfahrt nach Dečani mit Besuch des mittelalterlichen, serbisch-orthodoxen UNESCO-Klosters Visoki Dečani, einem von der KFOR bewachten bedeutenden Wallfahrtsort, danach in den alten Bazar und das ethnographische Museum in Peja.

Auf dem Rückweg in die Berge regnet es wie bestellt, ein 4x4-Jeep hat eine Panne mit dem Keilriemen – verwunderlich bei 418.000 km auf dem Tacho? Das tat der guten Stimmung aber keinen Abbruch!

Start im morgendlichen Nebel, Arianit versuchte steile Passagen zu umgehen, suchte Alternativen, wir hörten ihn rufen „bleibt stehen, wartet“.  Wir sahen ihn nicht mehr … Auch das ist „Peaks of Balkan“: Guides suchen neue Abschnitte, bessere Wege, der Trail ist im ständigen Umbau. Abends am Lagerfeuer in Babino Polje gibt es unerwartet Bier, das Shefqet (der die Idee für diese grandiose Tour hatte) für den vorwiegend muslimischen Ort mit Alkoholabstinenz organisiert hatte.

Ein Höhepunkt ist der Aufstieg zum großen Outdoor-Kino, zum Taljanka-Peak, nach 950 hm, auf der Grenze zwischen Albanien und Montenegro. Wir genießen das Panorama.

Am Folgetag kreuzen wir wieder die Grenze, erkennbar an der rot-weiß-roten albanischen Wegmarkierung und dem roten Kreis mit weißer Mitte in Montenegro. Wieder großes Outdoortheater, das albanische Matterhorn im Blick, ein breites Tal mit steilen kargen Felswänden, ein langer Abstieg, das Thermometer steigend.

Unsere Gruppe war sehr harmonisch, doch am Ende gab es noch ein blaues Auge. Das kam so: Am letzten Wandertag waren wir ca. 350 hm abgestiegen. Einige machten noch einen Schlussanstieg von ca. 150 hm bei etwa 32°C sengender Hitze, dann unter Bäumen am Wasser entlang – da war das „Blue Eye“, eine tiefblaue Karstquelle mit Wasserfall.

Der letzte Tag war für Tirana verplant, die boomende Hauptstadt, die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre sichtbar. Die Temperatur bei 37°C, das unterirdische Bunkermuseum schaffte keine Abkühlung.

Eine gelungene Fahrt mit einer tollen Gruppe, einem hervorragenden Guide, für alle ein unvergessliches Erlebnis!

Text: Ralf Flachmann